Advent 2022.
- Liebe Freunde,
Heuer bin ich schon früher als in anderen Jahren nach Argentinien geflogen, also werde
ich Weihnachten mitten im Sommer feiern. Wie jedes Jahr, bin ich täglich von neuem
ergriffen von den Adventsmelodien im monastischen Stundenbuch. Aber dann blicke ich
auf und finde statt Tannenduft, Kerzenlicht und Schnee, den Pfirsichbaum vor meinem
Fenster, dessen reifende Früchte wir mit fast hoffnungslosen Bemühungen und täglich
neuen Einfällen respektvoll gegen die Papageienschwärme verteidigen müssen.
Weil mir also das gewohnte Drum und Dran dieser festlichen Zeit fehlt, muss ich mich
auf das Wesentliche besinnen. Dabei fällt mir heuer etwas auf, was ich bisher vielleicht
gar nicht zum Wesentlichen gezählt hätte: nämlich wie wichtig es uns ist, mit Freunden
gemeinsam zu feiern, ja wie wesentlich Gemeinsamkeit und Feiern zusammengehören.
Auch wer alleine feiert, weiß sich anderen in Gemeinschaft verbunden. In Vereinzelung
kann niemand feiern. Tisch und Altar werden erst durch die feiernde Gemeinschaft
festlich. Darum ist für mich heuer Gemeinschaft das Schlüsselwort zum Verständnis
dieser festlichen Jahreszeit.
Zugleich ist nichts dringender notwendig in unserer Zeit, als dass wir in allen Bereichen
das verlorene Gemeinschaftsbewusstsein wieder aufbauen. Nur gemeinsam können wir
die großen Aufgaben lösen die uns gestellt sind: Überbevölkerung, Umweltzerstörung,
Klimawandel, Gesellschaftsspaltung, Korruption … Aber wie können wir als Einzelne
damit beginnen? Eben beim Feiern.
Euch, meine Freunde, bitte ich dringend, wenn ihr einander festlich zutrinkt, denkt ganz
ausdrücklich auch an die Anderen, die Euch, wenn Ihr’s eingesteht, gleichgültig sind.
Schneidet heikle Themen an – mitten im festlichen Feiern. Etwa Migranten“, Krieg, oder
Hunger. Schon das stellt Gemeinschaft her. Fragt einander: „Was kann ich persönlich
tun, um Brücken zu bauen statt Mauern? Das verlangt (weihnachtliches) Umdenken.
Mutter und Kind sind das Urbild von Gemeinschaft und bleiben ihr Leitbild. Die Mutter
sieht das Böse im Kind als das Noch-nicht-Gute. Wir können lernen, mit den Augen
einer Mutter das Böse in der Welt – ohne es zu beschönigen – als das Noch-nicht-Gute
zu sehen. Dann heißt es alles aufzubieten, um einfallsreich damit umzugehen. Was
kann ich persönlich ganz konkret tun, um irgendwo eine gesellschaftliche Kluft zu
überbrücken – ganz gleich was es mich kostet? Dazu bereit zu sein, ist unser
unerlässlicher Beitrag, um das Versprechen der Weihnachtsengel Wirklichkeit werden
zu lassen: “Friede den Menschen auf Erden!”
So dringend ist all das, dass ich es riskiere muss so eindringlich zu schreiben, dass es
aufdringlich erscheinen mag. Verzeiht mir bitte. Die Botschaft ist eine frohe. Es geht ja
letztlich darum, in jedem Augenblick das Leben zu feiern — nicht oberflächlich, sondern
echt, also unbegrenzt gemeinsam. Diese Freude wünsche ich Euch für jeden Tag von
2023 und weit in die Zukunft.
Euer Bruder David