C.G. Jung Gesellschaft Berlin
  • Themen

Weihnachtsbrief von Bruder David Steinle-Rast

02.01.2024

Liebe Verwandte und Freunde,

Das Schneelicht des Advent-Abends wird schon dämmrig. Die Meisen holen sich schnell noch ein paar Sonnenblumenkerne vom Futterhäuschen vor meinem Fenster. Vom Lehnsessel aus kann ich ihnen den ganzen Tag lang zuschauen – über den Computerrand hinaus. Wenn sie jetzt abends wegfliegen, wird es still. Ich aber schaue noch lange zu, wie es schneit  und dunkel wird.

Heute durfte ich wieder Bruder Thomas beim Schneiden von Kirschbaumzweigerln begleiten. Viele Jahre schon ist das unser kleines Ritual am Fest der Heiligen Barbara. Wir achten darauf, nicht mehr zu nehmen, als wir brauchen, und danken dann ehrfürchtig den alten Bäumen. Heuer waren unsere Barbarazweigerln ganz vereist und verschneit, aber sie sollten doch in Blüte stehen zu Weihnachten.

Ja Weihnachten – was für ein übergroßes Geschenk, noch einmal mithelfen zu dürfen, wenn Bruder Franziskus den Christbaum schmückt. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, beginnt es in mir zu singen … „ die Zweiglein der Gottseligkeit steckt auf mit Andacht, Lust und Freud!“ Ist das Sentimentalität? Keineswegs. Da geht es um etwas ganz anderes: um zutiefst menschliche Rührung. Da geht es um Ergriffenheit.

Als Georg Weissel dieses Adventslied schrieb war Krieg, der erste Krieg, der mit Feuerwaffen geführt wurde, der dreißigjährige Krieg, der jedem dritten Menschen in Mitteleuropa – Mann, Frau oder Kind – das Leben kosten sollte. Da wollte der Dichter Ergriffenheit wecken, das Gegenteil von Begreifen, von grobem Eingreifen in das Leben – die Haltung des vom Leben ergriffenen, zart handelnden Herzens.

Das brauchen auch wir in unserer Zeit. Ergriffenheit notwendig – überlebensnotwendig. Darum wünsche ich Euch in diesen Tagen Augenblicke der Ergriffenheit vom großen Geheimnis des Lebens. Kerzen in der Dämmerung, Kindheitserinnerungen an fernes Glockenläuten (für mich ist es die alte „Pummerin“ vom Stephansdom in Wien). Lasst Euch ergreifen! Für Rührung und Ergriffenheit muss niemand sich schämen.

Tränen in denen Schmerz und Freude ineinanderfließen bereiten das Herz darauf vor, sich in aller Ausweglosigkeit vom Leben ergreifen und willig führen zu lassen. Das Leben kennt den Weg.

Mut zur Ergriffenheit wünsche ich Euch also von ganzem Herzen für diese weihnachtlichen Tage und für 2024.

Euer Bruder David

Und zur praktischen Umsetzung von Ergriffenheit im täglichen Leben empfehle ich von Rutger Bregman „Im Grunde Gut; Eine neue Geschichte der Menschheit“.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen